Kriegerkopf

Vom Steinbruch zum Wochenendgebiet „Kriegerkopf“
(Von Sven Schreivogel, 19. November 2000)

„Ja, an den Steinbruch kann ich mich gut erinnern“, erzählt Willi Vogelei. „Aber in meiner Kindheit war er bereits stillgelegt.“ Und sein Bruder Walter, heute Eigentümer des Areals, fügt hinzu: „da standen noch ein paar alte Loren herum. Die haben wir dann angeschoben und sind mit ihnen bergabwärts gefahren. „Das hat richtig Spaß gemacht!“.
Auf dem Kriegerkopf, einem Berg westlich des Neu-Eichenberger Ortsteils Hebenshausen, hatte die damals am Bahnhof Eichenberg ansässige Firma Emil Zorn bzw. deren Vorgängerbetrieb bis in die 1920er Jahre Kalkstein brechen lassen. Als Transportmittel von der Bruchstelle zur LKW-Laderampe diente eine kleine Lorenbahn mit der schmalen Spurweite von 60 Zentimetern. Der angefallene Abraum wurde an einer dafür vorgesehenen Halde abgekippt, die die heimische Bevölkerung als „Fanfarenberg“ bezeichnete.
Die Landwirte aus der Umgebung hatten einen geringen Nebenverdienst durch den Abtransport des Kalksteines mit ihren Pferdefuhrwerken, die hin und wieder die LKW ersetzen mussten. Nach der Stilllegung des Steinbruches nutzte die Gemeinde Hebenshausen das Gelände als Müllhalde – bis die Naturschutzbehörde der nicht unbedingt umweltfreundlichen Entstorgung Einhalt gebot.
Die katholische Pfadfindergruppe „Sankt Georg“ aus Hebenshausen unter dem agilen Pfarrer Rudolf Koch interessierte sich Ende der 1950er Jahre für ein Grundstück in unmittelbarer Nähe des stillgelegten Steinbruches, um dort ein Jugendheim zu errichten. 1961 verkaufte die Gemeinde das rund 2500 Quadratmeter umfassende Areal zu einem symbolischen Preis an die Kirche. Etwa ein Dutzend junger Männer begannen kurz darauf mit dem Bau des neuen Treffpunktes, der zum Osterfest 1962 fertiggestellt war und in den folgenden Jahren zum Schauplatz manch ausgelassener Feier avancierte.
Erich Spitzl, der heute in Eichenberg-Bahnhof wohnt, hatte anlässlich der Kelleraushebung mit Pfarrer Koch eine Wette abgeschlossen, die er sogar gewann: Er schaffte das Ausschachten innerhalb eines Vormittags. Als Belohnung gab es eine Kiste Bier.
Auch Albert Turba, ebenfalls aus Eichenberg-Bahnhof, weiß eine spannende Anekdote zu berichten. Gemeinsam mit zwei Freunden parkte er eines Nachts sein Auto auf der Terrasse des Jugendheimes, um dort eine angeregte Unterhaltung zu führen. Keiner von ihnen bemerkte, dass in das Gebäude eingebrochen worden war. Wenig später mussten die drei Männer die Beamten einer Polizeistreife von ihrer Unschuld überzeugen.
Der Nachfolger des Pfarrers Koch, Georg Knappich, zeigte indes kaum Interesse an dem Jugendheim. Ohne Rücksprache mit den Mitgliedern der Pfadfindergruppe verkaufte er das Gebäude samt Grundstück an einen Apotheker aus Göttingen. Das war sozusagen die Geburtsstunde des „Wochenendgebietes Kriegerkopf“. Willi Vogelei, zwischen 1960 und 1971 ehrenamtlicher Bürgermeister von Hebenshausen, erinnert sich an eine mehrjährige Vorbereitungsphase, bis 1967 schließlich 25 Bauplätze durch das Regierungspräsidium in Kassel genehmigt wurden. In den 1970er Jahren kamen weitere 18 Plätze hinzu. Als Vorbild diente das Wochenendgebiet in Ziegenhagen.

Anm. der Redaktion:

Im Laufe der Jahre hat sich zwar das Aussehen, nicht aber der Charakter des Kriegerkopfgebietes gewandelt.
Noch immer handelt es sich um ein sog. „Sondergebiet Erholung“, also ein reines Wochenendgebiet.

Zunehmend siedelten sich die Grundstückseigentümer auf Dauer hier an und viele wohnen fest hier, was rein rechtlich nicht zulässig ist.
Die Gemeinde Neu-Eichenberg hat daher vor einigen Jahren eine Änderung des Bebauungsplanes in den textlichen Festsetzungen vorgenommen, nach der auch das dauerhafte Wohnen im Wochenendgebiet Kriegerkopf erlaubt ist.

 


Autor:
Sven Schreivogel

Quellen:
Blitz-Artikel, 19.11.2000
Gemeindearchiv Neu-Eichenberg

Luftbild des Wochenendgebietes Kriegerkopf aus dem Jahr 2017
Das kath. Jugendheim in den 1960er Jahren
Der Steinbruch Kriegerkopf Mitte der 1960er Jahre
Übersicht des Bebauungsplans Nr. 2 aus dem Jahr 1966
Übersicht des Bebauungsplans Nr. 3, Erweiterung des Kriegerkopfes um 18 Grundstücke, aus dem Jahr 1970
Übersicht für die Bewerber um 18 Grundstücke, aus dem Jahr 1970
Geplante Erweiterung mit Wegebau im Jahr 1972, wurde nicht umgesetzt
Planung der Wasserleitung zum Kriegerkopf März 1966
Über Jahrzehnte das Begrüßungs-Schild des Kriegerkopfes
Firma Fouchs fertigte hier viele Blockhäuser
Haustyp No 48 - Listenpreis 13.950,-DM
Haustyp No 15 - 4.345,- DM
Haustyp No 25 - 6.890,-DM
Werbefoto der Firma Fouchs (März 1967)
Luftaufnahme vom 25.12.1944, zu sehen ist der Kriegerkopf mit seinen Kalksteinvertiefungen und Steinbruch

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